Endlich. 2009
Wir wollen Kunst verstehen. Wir sehen ein Bild und schon arbeitet der Kopf ….. und wir wollen gleich darüber sprechen…… beurteilen, was wir gerade anschauen….. Aber lässt sich Kunst überhaupt verstehen?
Über Bilder lässt sich nichts sagen, man liebt sie oder verabscheut sie, aber mit Worten lassen sie sich nicht erklären.
(Picasso, Über Kunst, S.72-73)
Vielleicht doch lieber erst einmal ein Bild auf sich ausgiebig wirken lassen und Psst! – zunächst mal kein Wort ?
Etwas ohne Worte verstehen … das geht ja auch………
Es gilt ja eh:
Das Wesentliche entzieht sich der begrifflichen Formulierung.
(Johannes Itten, Kunst der Farbe, Einleitung, S.11 )
P.S. Auf das Thema “ Kunst verstehen und darüber sprechen“ wurde von einem anderen Gesichtspunkt aus bereits ausführlicher in meinem Artikel Zunge ab eingegangen .
Hallo Petra,
Deinem »Psst!« bin ich einige Tage brav gefolgt, hatte ich doch eine schöne große Reproduktion eines Bildes meines Lieblingsmalers immer vor Augen, vor allem morgens beim Aufwachen, wenn sich Gedanken am lebhaftesten einstellen …
Picasso ist also nicht unbedingt mein Favorit, obwohl ich einige seiner Bilder sehr schön finde und sehr mag und nie bestreiten würde, dass er einer der ganz Großen ist. Vielleicht liegt meine Distanz zu ihm eher darin begründet, dass nun gerade über sein Leben, seine Bilder, Schaffensperioden, Stilrichtungen … so unendlich viel erklärt, geschrieben, fotografiert, dokumentiert, katalogisiert wurde – und das Ganze in Bezug auf den Kunstmarkt noch einmal von vorn, – das ist mir instinktiv aber auch intellektuell zu viel Theorie, – zu wenig Geheimnis –; will sagen, Picassos Bilder achte ich. Sie sprechen aber eher nur meinen »Kopf« an bzw. fordern ihn heraus (das ist zuweilen anstrengend), zumal ja auch einige davon regelrecht zu Ikonen bzw. zu einem Symbol wurden, während seine plastischen Arbeiten mich eher ganzheitlich »ergreifen« und ich sie auch einfach nur bewundern kann. Aus meiner nun ganz persönlichen Sicht her, wäre es also wohl besser gewesen, man hätte Picassos Zitat mehr befolgt. Allerdings hat er dazu selbst nicht viel beigetragen, denn woher stammen all seine Zitate über Kunst … Ich würde ihm gegenüber auch einwenden, dass wir von einem Vogel, der Nacht, den Blumen und all den anderen Dingen um uns her, auch nicht erwarten, dass sie sich selbst erklären und wir sie dann verstehen. Kunst aber wird von Menschen gemacht … Irgendwie haben wir ihnen gegenüber, wenn sie ihre Werke öffentlich zeigen, wohl doch den Anspruch, etwas erklärt zu bekommen, zumindest verstehen zu wollen … Da befinden wir uns also wieder auf der von Dir erwähnten Gratwanderung. Einigen Grundlagen der visuellen Kommunikation können wir uns schwer entziehen, – von einem dem entgegen wirkenden zunehmenden Massenveranstaltungscharakter mancher Ausstellungen bzw. der mehr oder weniger erfolgreichen Bewältigung endloser Menschenschlangen vor den Museen … will ich hier nichts schreiben.
Übrigens, ich selbst habe den Eindruck, dass gerade Künstler sehr wohl einen Vogel, die Nacht, die Blumen … »verstehen«, Picasso doch auch, oder?
Vielen Dank auch für Dein »Bravissimo!«, das mich gerade erreichte und liebe Grüße von KH
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… und doch noch ein kleiner Nachtrag:
Picasso bringt in seinem Zitat das Verstehen-(wollen) ein Bildes in einen Zusammenhang mit dem Wahrnehmen eher rein natürlicher Erscheinungsformen – das Lied eines Vogels, eine Blume, die Nacht …
Es gibt sie wohl tatsächlich, auch in den Magazinen der Museen, unbekannte zuweilen auch unvollendete »Meisterwerke«. In einer der zurückliegenden »Langen Nächte der Museen« habe ich einmal eine überaus spannende Bildbetrachtung zu diesem Thema erlebt. (s.a. »Le chef-d`oeuvre inconnu«, Erzählung von Honoré de Balzac 1831, auch verfilmt als »die schöne Querulantin«)
Werden Bilder aber ausgestellt, verlassen sie gewissermaßen einen zweckfreien »natürlichen«, auch individuellen Raum und vielfältige Gesetzmäßigkeiten der menschlichen Kommunikation aber auch der modernen medialen Vermittlung gewinnen an Bedeutung und Einfluss, auch hinsichtlich unserer ganz persönlichen Wahrnehmung. Das Bild wird als künstlerische Äußerung angesehen und entsprechend interpretiert, erklärt, eingeordnet … So wird natürlich auch ein öffentliches Interesse, zuweilen auch eine echte Begeisterung geweckt und im besten Fall auch kunsthistorisches Wissen vermittelt. Andererseits bekommen in der letzten Zeit große Kunstausstellungen mehr und mehr den Charakter regelrecht logistisch organisierter und vernetzter touristischer Events und die Medien übertreffen sich schon gegenseitig mit der »Vorveröffentlichung« bestimmter »berühmter« Bilder und den entsprechenden Interpretationen und vermitteln durchaus überzeugend das Gefühl, etwas zu »verpassen«, wenn man nicht da gewesen ist …
Ob Picasso das vorhergesehen hat?
Also doch lieber des Nachts zu den »geheimen« Bildern oder am frühen Morgen zu den Vögeln?
Mit lieben Grüßen von KH
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Lieber khnemo, im Grunde interessiert mich die Diskussion, die auf die Frage „Kunst verstehen?“ folgen kann, mehr als die klare, entschiedene Antwort, die meiner Meinung nach nur für den Einzelfall und nicht ganz allgemein gegeben werden kann. Wir sind wieder, wie Du ja sagst, bei der Gratwanderung. Dass Du Dir Gedanken zu dem Thema machst – und welche!! – und eben auf einzelne Fälle eingehst, bietet interessantes, sehr anregendes, einleuchtendes Gedankenfutter! Ich danke Dir ganz herzlich dafür!
Ja, Turner ist auch einer meiner Lieblingsmaler! Einen anderen, wunderbaren Lichtmaler habe ich übrigens letztes Jahr in Kaufbeuren entdeckt: Den Zeitgenossen Helmut Schober.
Kennst Du ihn?
Gott sei Dank schließen sich ja Bilder, die geheimen eigenen Bilder und der Gesang der Vögel nicht gegenseitig aus!
Einen schönen Tag und mit liebem Gruß, Petra und noch einmal Danke !!!
P.S. Nun wäre es auch interessant, von verschiedenen Erfahrungen bei der Bildbetrachtung zu hören…
Wenn ich auch in „wortreichen“ Führungen das Verständnis für meine Bilder fördern möchte, so war doch ein Sonntag mein bisher schönstes Erlebnis bei Ausstellungen: Viele Besucher kamen und brachten ordentlich Zeit mit, sie betrachteten meine Bilder lang und setzten sich dabei auch auf bereit gestellte Stühle. Das Erstaunliche war, dass es ganz versunken-still war…… Einfach auf sich wirken lassen kann zu einem tiefen Verständnis führen und das war im Raum zu spüren…… Dabei braucht das Verstehen gar nicht voll bewusst zu werden. Ich kenne das, vor allem wenn ich nach besonders beeindruckenden Ausstellungsbesuchen eine Hommage an den betreffenden Künstler male: es klingt alles noch in mir nach und ich verarbeite das beim Malen.
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Liebe Petra,
Vielen Dank für Deinen Hinweis auf Helmut Schober, ich kannte ihn tatsächlich nicht und hätte es im Nachhinein sehr interessant gefunden, seine Bilder zusammen mit Bildern Turners zu sehen. »Lumen 3«, die »Energiefelder 2« und »W. A. Mozart – Luce assoluta III« gefallen mir besonders gut. Ich habe sie auf der Website der Galerie Andreas Baumgartl entdeckt. Du wirst es sicher bemerken, meine Favoriten sind Bilder, die, abgesehen von Farbe und Licht auch eine starke kompositorische Spannung erkennen lassen. Ich drücke es vielleicht etwas eigenartig aus: Ich liebe erzählende Kontraste. Das Mozart Thema entspricht ja wahrscheinlich auch Dir sehr, jedenfalls brachte ich es gleich mit einigen Aussagen in Verbindung, die ich hier in Deinem »Roten Faden« gelesen hatte – Liebe Grüße
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Danke, lieber KH!
Übrigens gibt es auch den herrlichen Bildband „Turner and Schober – Two Creators of Light“ und einen anderen über Schobers Mozart-Zyklen. Sehr beeindruckend und voll großer Schönheit!!! Lange wortlos-gedankenlos und in Stille betrachtet, entwickeln die Bilder darin eine ganz besondere Faszination.
Liebe Grüße,
Petra