Doch die Hoffnung stirbt zuletzt…/But hope dies latest…
( In Schockstarre, Mischtechnik auf Papier/mixed media on paper, 30x40cm, 2016)
Licht Farbe Klang — Petra Pawlofsky
Doch die Hoffnung stirbt zuletzt…/But hope dies latest…
( In Schockstarre, Mischtechnik auf Papier/mixed media on paper, 30x40cm, 2016)
Guten Morgen, Petra. Nach einem energiearmen Tag gestern habe ich heute meine Eindrücke zum neuen Bild sortiert und artikuliert.
Das Bild hat für mich eine sehr intensive Ausstrahlung. Es ist von beunheimlichender Schönheit. Insgeheim habe ich es für mich «Königin der Winternacht» genannt (aber das bleibt natürlich mein Geheimnis). Damit nehme ich es jetzt mal bewusst raus aus dem Kontext, in dem es entstanden ist – vielleicht passen ja gewisse Elemente, sozusagen durch die Hintertür, da auch wieder rein.
Zunächst die Umgebung. Die wirkt düster, das schleckt keine Geiß weg. Und auch kühle Elemente kommen darin vor, die aber gleichzeitig eine lichtvoll-faszinierende Ausstrahlung haben. Bemerkenswert sind auch die wärmeren Farben rechts oben. Man könnte es zunächst für den Widerschein einer Feuersbrunst halten. Aber die Ausstrahlung ist nicht zerstörerisch. Eher vergeistigt. Eine Reminiszenz an eine zutiefst spirituelle Wurzel in allem, was ist.
Die Frauengestalt auf dem Bild sieht zunächst aus wie in einen eisigen Umhang gehüllt. Kein Eispanzer. Es sieht aus wie ein Gewand, locker umgehängt – aber von der frostigen Sorte. Die Farbe unter dem Umhang aber – verwandt mit dem Widerschein im Hintergrund, aber glutvoller – zeigt, das die Frau inwendig warm ist. Die Kühle des Umhangs kommt nicht von ihr und dringt auch nicht gänzlich zu ihr durch. Sie ist sozusagen eine auswärtige Angelegenheit. Die gleiche Wärme erkennen wir auch im unteren Bildteil. Hier scheint sich die innere Glut mit einem äußeren Feuer zu vermengen. Wir haben es mit einer Kraft zu tun, die grösser ist, als die eines Individuums. Zwar auf einer sympathischen Wellenlänge – aber machtvoller. Ganz bemerkenswert aber ist das Gesicht. Es drückt keine spezifischen Emotionen aus – aber es ist dennoch ausdrucksvoll. Vor allem dieser spezielle Ausdruck hat mich zum Titel «Königin der Winternacht» angeregt.
LikeGefällt 1 Person
Diesen ausführlichen, detailreichen Kommentar kann ich hier doch nicht einfach so allein stehen lassen! Deswegen bedanke ich mich erst einmal ganz, ganz herzlich für all die Gedanken, die Du Dir über das Bild gemacht hast! Mit Deinem Feedback fühle ich mich reich beschenkt ! Ich werde dann mit mehr Zeit noch mal näher darauf eingehen, klar. 🌻🌻🌻
LikeGefällt 1 Person
Das freut mich sehr. :)
Meine Eindrücke haben ihre Wachstumszeit gebraucht. Und die habe ich ihnen zugestanden, da ich nicht vorhabe, mich von der verbreiteten Blog-Schnelllebigkeit anstecken zu lassen. Da passt es ganz gut, wenn du das in deinem passenden Rhythmus auf dich wirken lässt. :)
LikeGefällt 1 Person
Wie schön, dass Du Dich so ausgiebig mit dem Bild beschäftigt hast und dass es auf Dich eine so große Ausstrahlung ausübt! Deine Assoziationen und die Interpretation sind sehr interessant und anregend! Und es ist immer wieder spannend, was Du in den Bildern alles siehst! ;)
„In Schockstarre“ habe ich Beitrag und Bild genannt. Natürlich kannst Du für Dich persönlich den Bildern Deinen Titel geben. Sonst gibt’s nichts am Titel zu rütteln. ;))
Kennst Du den „Angelus Novus“ von Paul Klee? Er wird von Walter Benjamin „Der historische Engel“ genannt. Der kleine, junge Engel schaut erschreckt auf die Welt… Zur jetzigen Situation kam er mir wieder in den Sinn. Und dann kam mir das Bild eines Erzengels mit großen Flügeln und ich stellte ihn mir vor, wie er seine etwas verletzten Flügel geschockt hängen lässt und sie sich schützend vor der Kälte, Unbelehrbarkeit und Oberflächlichkeit der Welt vor sich hält. Das Gesicht dazu bilde ich Dir kurz noch einmal im Artikel größer ab. Es ist ganz weiß und ausdruckslos-erstarrt, aber man merkt, so meine ich, noch den Schmerz?
Nun rede ich nicht gerne über Spirituelles, schon gar nicht im Netz und ich möchte es in meinen Bildern niemanden mit der Faust aufs Auge drücken.. Andeutungen okay, sie sind unbewusst eh immer dabei, aber mehr nicht …
Deswegen habe ich die Flügel des „königlichen Engels“ auch gar nicht so genau gemalt, so dass er in seinem langen, roten Gewandt mehrdeutig daherkommt…;) Er gibt sich fast nicht zu erkennen… Aber schau, was aus Deinen Assoziationen dann alles passt!! Über die Hintertür kommt dann schon sehr viel rein! :)
Noch einen wunderbaren, auch aufwindigen Sonntag!
LikeGefällt 1 Person
Ganz herzlichen Dank für deine ausführliche und aufschlussreiche Antwort. :)
Der persönliche Titel hat bei mir Tradition – allerdings spreche ich nur selten darüber. Der Punkt ist, dass der eigentliche Titel eines Bildes ja oft eine suggestive Wirkung hat und die zum Bild auftauchenden Assoziationen beeinflusst. Ich denke, dass man das auch experimentell würde nachweisen können. Beispielsweise, indem man verschiedenen Gruppen ein und dasselbe Bild mit unterschiedlichen Titeln zur Interpretation vorlegt. Der persönliche Titel ist damit gleichsam eine Beschwörungsformel um die Suggestion zu bannen. ;)
Den Angelus Novus von Paul Klee kannte ich nicht. Erschreckenderweise erstaunt es mich nicht einmal, dass sich hier – ein knappes Jahrhundert später – ein Déjà-vu einstellt. Es ist schon seltsam, dass bei allem Erfindungsreichtum der Menschheit gewisse alte Muster immer und immer wieder wiederholt werden.
Es stimmt. Im größeren Bildausschnitt ist – vor allem in der Augenpartie – ein schmerzlicher Ausdruck zu erkennen. Dennoch finde ich es beeindruckend, wie gefasst die Gesichtszüge sind. Das Gesicht wird nicht durch die Emotionen verzerrt. Und dazu passt für mein Empfinden auch die Farbe. Das ist ja keine „handelsübliche“ Gesichtsblässe. Mich erinnert es an den Wintermond (nicht das Gesicht natürlich – das ist ja kein Mondgesicht – sondern die Farbe). In frostigen Winternächten kann der Mond ja eine beeindruckende Lichtquelle sein. Es ist zwar „nur“ eine Reflexion des Sonnenlichts. Aber das ist, wenn jedes andere Licht fehlt, nicht wenig. Und noch wichtiger – diese Reflexion ist eine Erinnerung daran, dass die eigentliche Lichtquelle, auch wenn sie temporär nicht sichtbar ist, noch vorhanden ist. Da sind wir dann wieder bei der Hoffnung. Oder man könnte es sogar Zuversicht nennen.
Dir noch einen wunderschönen Sonntagabend. :)
LikeGefällt 1 Person
„Der persönliche Titel ist damit gleichsam eine Beschwörungsformel um die Suggestion zu bannen.“ Das gefällt mir :)! Das findet sogar bei Munchs „Schrei“ statt! Ich hab’s mir mal ohne Titel vorgestellt…
Bei Ausstellungsbesuchen geht’s mir ähnlich wie Dir. Ich lasse erst mal den Titel links liegen. Erst nach einiger Zeit schau ich hin… Aber sinnlos ist er nicht. Er kann für den Betrachter wie ein Wegweiser einen Zugang eröffnen, wenn keiner da ist oder verdeutlichen, wie es der Maler sieht.
Auf in die neue Woche und viel spannendes, erfreuliches Leben! ;)
LikeGefällt 1 Person
Ja, der „Schrei“ ist ein gutes Beispiel. Der Titel ist ja so bekannt, dass es eine Kraftanstrengung braucht, um den für einen Augenblick auszublenden. Bei Ausstellungen ist es oft einfacher, weil man den Titel gut zunächst ignorieren kann. Aber die Suggestion (vorerst) bannen bedeutet nicht, den Titel zu ver-bannen. Sind die ersten unbeeinflussten Assoziationen da, wird der Titel ja ganz spannend. Wie decken sich die neuen Eindrücke mit den vorherigen. Sind sie einstimmig, harmonisch zweistimmig, oder dissonant?
Dir eine harmonisch-mehrstimmige Woche. :)
LikeGefällt 1 Person
Stimmt alles auch für mich! ! :) Mir gefallen hier die unterschiedlichen Musikausdrücke besonders, weil sie schön differenzieren können!
Wie wär’s mit sereno? Eine solche Woche wünsche ich Dir! :)
LikeGefällt 1 Person
Die musikalischen Ausdrücke liegen mir hier besonders nahe, weil ich auch optische Eindrücke irgendwie in mir (nach)klingen lasse.
Sereno klingt gut. De acuerdo! :)
LikeGefällt 1 Person
D’accord, dann sereno also! :)
Ja, ein „Nachklang“ eben! Willkommen im Club!
LikeGefällt 1 Person
:)
LikeLike
Sehr schöne Bilder. Wenn ich mir das Titelbild genauer anschaue, habe ich den Eindruck, dass ich dort Gesichter sehe. Da spielt meine Phantasie mit. Das ist aber etwas Gutes, weil man sich mit dem Bild mehr beschäftigen möchte. Schönen Abend! lg bilere
LikeGefällt 1 Person
Danke, bilere! Auch ich sehe Gesichter darin :) Wir Menschenkinder (vor allem Kinder) sind mehr oder auch weniger so programmiert… Es braucht etwas Phantasie und etwas Zeit…
Eine gute Woche! Herzlich, Petra
LikeLike